Beim Steady-state-Modell nimmt die Masse des Weltalls gerade so schnell zu, dass die Materiedichte bei der Expansion des Raums stets gleich bleibt (oben). Nach der evolutionären Theorie bleibt die Masse konstant. Mit der Ausdehnung des Weltalls nimmt seine Materiedichte daher ab (unten)
kosmologisches Modell, nach dem unser Weltall vor etwa 13,7 Mrd. Jahren aus einem extrem heißen, überdichten Zustand hervorgegangen sein dürfte; die damaligen Zustände können physikalisch heute noch nicht exakt beschrieben werden; möglicherweise bestand aber das Weltall zunächst nur aus einem gequantelten Gravitationsfeld, d.h. aus Gravitonen; etwas später bildeten sich Quarks, Leptonen (Elektronen, Positronen) undPhotonen sowie ihre Antiteilchen, kurz danach auch erste Hadronen (vor allem Protonen, Neutronen und Neutrinos). Neben den Wasserstoffkernen, die damit gebildet wurden, konnten sich wenige Minuten nach dem Urknall auch Kerne des Deuteriums, Tritiums, Heliums und Lithiums bilden, während die Atomkerne aller anderen chemischen Elemente erst in sehr viel späteren Entwicklungsphasen des Universums entstanden. Nach etwa 400000 Jahren bei einer Temperatur unter 3000K bildeten sich die ersten stabilen Wasserstoff- und Heliumatome. Während das Universum zuvor undurchsichtig war, konnte sich die Strahlung jetzt weitgehend ungehindert ausbreiten, das Universum wurde durchsichtig und die kosmische Hintergrundstrahlung wurde frei. Sie ist heute als Strahlung eines schwarzen Körpers mit einer Temperatur von 2,726 K (rund 3K) messbar. Nach einer neuen Theorie von A. Guth u.a. blähte sich das Weltall 10-35s nach dem Urknall um den Faktor 1050 oder mehr auf (Inflation des Weltalls). Durch diese Annahme können bestimmte Schwierigkeiten der ursprünglichen Theorie vom Urknall vermieden werden.
Stern
Astronomie
im alltäglichen Sprachgebrauch ein Himmelskörper, der dem bloßen Auge als punktförmige Lichtquelle erscheint; astronomischSammelbezeichnung für alle Himmelskörper, die als abgegrenzte, meist kugel- oder ellipsoidförmig gestaltete Massenaggregate erscheinen (Fixsterne, Sonne, Planeten, Monde). Sterne im engeren Sinne sind die Fixsterne, selbstleuchtende Gaskugeln zu denen auch die Sonne gehört. Der nächstgelegene Stern außerhalb des Sonnensystems ist Proxima Centauri in 4,2 Lichtjahren Abstand. Der hellste Stern, der von der Erde aus beobachtet werden kann, ist der 8,6 Lichtjahre entfernte Sirius, der Hauptstern im Sternbild Großer Hund. Alle mit bloßem Auge erkennbaren Sterne, etwa 5500, gehören dem Sternsystem der Milchstraße an.
Stern: Hellste Sterne (Auswahl)
Name
Abstand (in Lichtjahren)
scheinbare Helligkeit
absolute Helligkeit
Sirius A
8,6
-1,m46
+1,m4
Canopus1
120,0
-0,72
-8,5
Arktur
36
-0,06
-0,3
Alpha Centauri A
4,3
-0,01
+4,4
Wega
26,5
+0,04
+0,5
Kapella
45,0
+0,05
-0,7
Rigel
900,0
+0,14
-6,8
Prokyon A
11,2
+0,37
+2,6
Beteigeuze
310,0
+0,41
-5,5
Achernar1
85,0
+0,51
-1,0
Beta Centauri1
490,0
+0,63
-5,1
Atair
16,5
+0,77
+2,2
Alpha Crucis1
370,0
+0,83
-4,0
Aldebaran
68,0
+0,86
-0,2
Spika
275,0
+0,91
-3,6
Antares
520,0
+0,92
-4,5
Pollux
35,0
+1,16
+0,8
Formalhaut
22,6
+1,19
+2,0
Deneb
1825,0
+1,26
-6,9
Beta Crucis
490,0
+1,28
-4,6
1 in unseren Breiten nicht sichtbar
Astronomie: Geschichte
v. Chr.
um 500
Die Pythagoreer lehren den Umlauf der Erde um einen zentralen Himmelskörper
um 430
Kalenderreform des Meton (Lunisolarjahr)
382
Demokrit erklärt die Milchstraße als eine Anhäufung von Sternen
374
Mathematisch-astronomische Schule des Eudoxos
289
Aristarchas ermittelt Entfernung und Größe von Sonne und Mond
288
Eratosthenes berechnet den Erdumfang recht genau auf 39816 km
131
Hipparchos stellt 1008 Fixsterne in einem Sternkatalog zusammen
n. Chr.
153
Geozentrisches Weltsystem des Claudius Ptolemäus
1250
Planetentafeln des Alfons X. von Kastilien
1460
Erste deutsche Sternwarte in Nürnberg (Regiomontanus)
1543
Begründung des heliozentrischen Planetensystems durch N. Kopernikus
1572
Tycho Brahe beobachtet eine Supernova
1582
Papst Gregor XIII. verbessert den Kalender (gregorianischer Kalender)
1609
J. Kepler stellt das 1. und 2. Kepler'sche Gesetz auf; 1618 folgte das 3. Gesetz
1610
Entdeckung der Jupitermonde, der Sonnenflecken und des Phasenwechsels der Venus durch G. Galilei
1647
Mondkunde („Selenographia“) von J. Hevelius
1656
C. Huygens erklärt den Bau des Saturnringes und entdeckte den ersten Saturnmond
1676
Berechnung der Lichtgeschwindigkeit aus einer Verfinsterung der Jupitermonde (O. Römer)
1679
Erstes Sternverzeichnis des Südhimmels von E. Halley
1687
Gravitationsgesetz von I. Newton
1728
Entdeckung der Aberration des Lichtes (J. Bradley)
1755
Theorie über die Entwicklung des Sonnensystems von I. Kant
1781
Entdeckung des Uranus durch F. W. Herschel
1796
Theorie der Entstehung des Sonnensystems von P. S. Laplace
1821/35
Begründung der Fixsternastronomie durch F. W. Bessel
1843
Periodizität der Sonnenflecken (H. Schwabe)
1846
Entdeckung des Neptun durch J. G. Galle aufgrund von Angaben Leverriers
1852/62
„Bonner Durchmusterung“ (F. W. Argelander)
1877
Entdeckung der „Marskanäle“ durch G. V. Schiaparelli
1913
Veröffentlichung des Hertzsprung-Russell-Diagramms
1917
Bestimmung der Entfernung des Andromedanebels durch H. D. Curtis
1919
Ablenkung eines Lichtstrahls durch die Sonne (Bestätigung der Allgemeinen Relativitätstheorie, A. Eddington)
1929
Nachweis der Ausdehnung des Weltalls aus der Flucht der Spiralnebel (E. P. Hubble)
1930
Entdeckung des Planeten Pluto durch C. W. Tombaugh
1931
Messung von Radiostrahlen aus dem Weltall (K. G. Jansky)
1946
Beginn der großartigen Entwicklung der Radioastronomie
1952
J. H. Oort stellt die Spiralstruktur eines Teiles der Milchstraße fest
1958
Entdeckung des Strahlengürtels, der die Erde umgibt (Van Allen)
1962
Die US-amerikanische Venussonde Mariner 2 erreicht die Venus am 14. Dezember
1963
Entdeckung der Quasare
1965
Die US-amerikanische Marssonde Mariner 2 übermittelt Einzelheiten der Marsoberfläche
1965
Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung durch A. Penzias und R. Wilson
1966
Sowjetische Sonde Luna 10 als erster künstlicher Mondsatellit
1967
Entdeckung des ersten Pulsars durch A. Hewish
1969
Die Mondfähren von Apollo 11 und 12 landen auf dem Mond
1975
Start der Raumschiffe Viking 1 und 2, die auf dem Mars landen
1977
Start der Sonde Voyager 1 und 2, deren Flug über Jupiter (1979) und Saturn (1980) zu Uranus (1986) führt; Entdeckung von neun Uranusringen
1978
Entdeckung des Pluto-Mondes Charon durch J. W. Christy
1979
Entdeckung eines schwachen Rings um Jupiter
1986
Erforschung des Halley'schen Kometen durch die europäische Sonde Giotto; Entdeckung einer Supernova in der Magellan'schen Wolke
1988
US-amerikanische Astronomen entdecken ein 15 Mrd. Lichtjahre entferntes Sternsystem, das damit die bis dahin fernste bekannte Galaxis ist
1989
Start des Satelliten Hipparcos, der die Positionen von 120000 Sternen präzise vermessen soll; Voyager 2 sendet Bilder von Neptuns Ringsystem und verlässt nach zwölfjähriger Reise unser Planetensystem
1990
Das Hubble-Weltraumteleskop und der Röntgensatellit ROSAT werden auf Umlaufbahnen gebracht
1993
Erfolgreiche Reparatur des Hubble-Weltraumteleskops im Orbit
1994
Einschlag der Bruchstücke des Kometen Shoemaker-Levy 9 auf Jupiter
1995
Die 1989 gestartete US-amerikanische Raumsonde Galileo erreicht im Dezember das Jupitersystem
1995/96
Entdeckung der ersten Planeten um sonnenähnliche Sterne
1997
Landung der US-amerikanischen Raumsonde Mars Pathfinder auf dem Mars
1997
Start der Saturnsonde Cassini
1998
Die US-Raumsonde Lunar Prospector findet deutliche Spuren von Wassereis auf dem Mond
1999
Die Europäische Südsternwarte entdeckt ungewöhnlich lithiumreichen Sternriesen
2000
Wissenschaftler der Europäischen Südsternwarte entdecken mit dem VLT (Very Large Telescope) eine 70 Mio. Lichtjahre entfernte Galaxie mit rund 4000 Mrd. Sternen
2001
Landung der NASA-Raumsonde NEAR Shoemaker auf dem Asteroiden Eros
2003
Letzter Funkkontakt mit der 1972 gestarteten Raumsonde Pioneer 10 in 12,2 Mrd. km Entfernung; Entdeckung des Planetoiden Sedna
2004
Die Landeroboter Opportunity und Spirit finden Beweise für die frühere Existenz von flüssigem Wasser auf dem Mars; Forscher entdecken in der Milchstraße einen 77000 Lichtjahre langen fünften Spiralarm
2005
Landung der Huygens-Sonde auf dem Saturnmond Titan; Entdeckung von zwei kleinen Pluto-Monden mit dem Hubble-Weltraumteleskop; Hayabusa, eine japanische Raumsonde, sammelt Materialproben des Asteroiden Itokawa ein, die zur Erde gebracht werden
2006
Die Rückkehrkapsel der Raumsonde Stardust bringt erstmals Staub aus der Koma eines Kometen (Wild2) zur Erde; Pluto verliert durch die neue Planetendefinition der IAU seinen Status als Planet und wird als Zwergplanet klassifiziert
2007
Entdeckung des ersten Dreifach-Quasars; Entdeckung des ersten erdähnlichen Planeten in 20 Lichtjahren Entfernung (Gl581 c)
2009
Internationales Jahr der Astronomie
2010
Die Raumsonde Hayabusa schickt in einer Kapsel Bodenproben vom Asteroiden Itokawa zur Erde
Sterne bilden sich als Verdichtungen in der sehr dünnen interstellaren Materie. Unter dem Einfluss der Gravitation kontrahiert die zunächst als Protostern bezeichnete verdichtete Wolke. Die Gesamtdauer der Kontraktion hängt von der Masse der schließlich entstehenden Sterne ab. Während bei massereichen Sternen die Kontraktionsdauer nur etwa 10000 Jahre betragen dürfte, sind es bei Sternen mit Sonnenmasse rund 30 Mio. Jahre, bei masseärmeren sogar über 100 Mio. Jahre. Auch die endgültige Temperatur ist massenabhängig. Protosterne mit weniger als 0,08 Sonnenmassen erreichen die kritische Zündtemperatur für die Kernfusion erst gar nicht, sie kühlen langsam wieder ab und enden als braune Zwerge. Bei Protosternen mit mehr als 0,08 Sonnenmassen steigen durch das Zusammenziehen die Temperatur und die Dichte im Innern immer weiter an, bis schließlich bei Temperaturen über etwa 10 Mio. Kelvin Kernfusionsprozesse einsetzen und die dabei freigesetzte Energie ins Universum abgestrahlt wird. Mit dem Einsetzen der Kernfusion wird der Stern durch ein Gleichgewicht zwischen der Gravitation und dem nach außen gerichteten Gasdruck sowie dem Strahlungsdruck stabil gehalten.
Die weitere Entwicklung des Sterns wird durch das Hertzsprung-Russell-Diagramm beschrieben. Sterne, die im Gleichgewicht sind, erscheinen auf der Hauptreihe dieses Diagramms. Wie lange sie in diesem Zustand bleiben, hängt von ihrer Masse ab. Durch die Kernreaktionen im Stern entsteht zunächst aus jeweils vier Wasserstoffkernen (Protonen, 1H) ein Heliumkern (Alphateilchen, 4He). Für die massereichsten Sterne endet dieses sog. Wasserstoffbrennen schon nach wenigen 100000 Jahren, während ein typischer massearmer Stern wie die Sonne mehrere Mrd. Jahre auf der Hauptreihe verbleibt. Ist der Wasserstoff verbraucht, lässt die Energieerzeugung im Kern des Sterns nach. Als Folge kontrahiert der Stern erneut. In dieser Entwicklungsphase können in Sternen mit mehr als etwa 0,5 Sonnenmassen Zentraltemperaturen von weit über 100 Mio. Kelvin erreicht werden. Es kommt dann zum sog. Heliumbrennenund damit zum Aufbau von noch schwereren Atomkernen. Am wichtigsten ist dabei zunächst der Drei-Alpha-Prozess, die Umwandlung von drei Heliumkernen zu einem Kohlenstoffkern (12C), die über einen instabilen Berylliumkern (8Be) als Zwischenstufe abläuft. Durch Einfang weiterer Heliumkerne entsteht aus 12C das stabile Sauerstoffisotop 16O und mit sehr kleinem Wirkungsquerschnitt aus 16O das stabile Neonisotop 20Ne. Ist das Helium verbraucht, setzt in Sternen mit mehr als rund 4 Sonnenmassen nach einer Kontraktionsphase das sog. Kohlenstoffbrennen ein, das die Elemente Sauerstoff, Neon und Magnesium liefert. In Sternen mit mehr als etwa 8 Sonnenmassen könnnen alle Elemente bis hin zum Eisenisotop 56Fe entstehen. Schwerere Elemente werden in Einfangprozessen von Neutronen oder Protonen und nicht mehr durch Fusionsprozesse gebildet.
Je nach Masse werden die Sterne auf unterschiedliche Weise zu roten Riesen oder Überriesen. Sterne im Stadium des roten Riesen brennen schließlich in einigen Mio. Jahren aus, fallen durch Einfluss der Schwerkraft in sich zusammen, und es entsteht ein weißer Zwerg. Bei einer Endmasse von über 1,44 Sonnenmassen kann auch ein extrem kompakter Neutronenstern am Ende der Entwicklung stehen. Bei noch größerer Masse kann es zu einem so starken Schwerkraftkollaps kommen, dass der Stern in einer außerordentlich hellen Supernova explodiert. Auch hier endet der Prozess beim Neutronenstern, der in bestimmten Fällen als Pulsar beobachtet werden kann. Theoretische Überlegungen ergeben, dass der Schwerkraftkollaps bei ganz besonders massereichen Sternen zu einem extrem dichten Endzustand, dem schwarzen Loch, führt. Die Sterne im Weltall gehören verschiedenen Entwicklungsstadien an, die durch die Spektralklassen beschrieben werden. Außerdem unterscheidet man noch veränderliche SterneundDoppelsterne. Sterne schließen sich gelegentlich zu Galaxien (Spiralgalaxie) wie unserer Milchstraße u. zu Sternhaufen zusammen.
Das Rettungssystem der Raumkapsel New Shepherd beim Test
Der Test erfolgte in aller Stille bereits am 19. Oktober 2012, was typisch für die auf strenge Geheimhaltung bedachte private US-Raumfahrtfirma Blue Origin ist. Das Rettungssystem ist eine so genannte Pusher-Rakete, das heißt sie schiebt von unten her die Raumkapsel New Shepherd, in der später auch Astronauten sitzen werden, im Falle eines Fehlstarts von der Rakete weg. Die klassischen Rettungsysteme der Apollo-Zeit in den 1960er und 1970er Jahren waren dagegen so genannte Traktoren. Sie ziehen im Ernstfall die Raumkapsel von der Rakete weg und sind oberhalb von ihr auf einem Rettungsturm, oder englisch: escape tower, angebracht. Auch die noch heute im Einsatz befindlichen russischen Sojus-Raumkapseln nutzen ein solches System. Es rettete im Jahr 1983 zwei Kosmonauten das Leben, als ihre Trägerrakete bei den Startvorbereitungen in Brand geriet und kurz darauf explodierte.
Rückkehr von New Shepherd nach dem Test
Bei New Shepherd sitzen die Antriebe der Rettungssysteme dagegen unter der Raumkapsel. Sie können bei einem nominalen Flugverlauf auch als Bremsraketen für die Rückkehr aus einer Erdumlaufbahn genutzt werden, während die Rettungsraketen der Traktor-Systeme vor Erreichen der Umlaufbahn abgeworfen werden und verloren gehen. Beim kürzlichen Test stieg die Raumkapsel vom Boden weg auf eine Höhe von 703 Metern und landete in einer Entfernung von rund 500 Metern zum Startplatz. Das Raumfahrzeug New Shepherd, das Blue Origin unter großer Geheimhaltung entwickelt, ist zunächst für suborbitale Flüge gedacht. Es fliegt also bis in Höhen von etwa 100 Kilometern und kehrt nach wenigen Minuten zum Erdboden zurück. New Shepherd dient vor allem dazu, erst einmal Erfahrungen im bemannten Raumfahrtflugbetrieb zu sammeln, bevor mit der Entwicklung eines bemannten, wiederverwendbaren Raumfahrzeugs für Flüge in die Erdumlaufbahn begonnen wird. Allerdings weiß außerhalb von Blue Origin und vertraglich zum Schweigen verpflichteten NASA-Mitarbeitern niemand, wie weit die Projekte bereits gediehen sind.
Die Jagd nach Leben ist eröffnet
Ein neuer Exoplanet im Sternsystem Alpha Centauri stellt die Gretchenfrage der Astronomie: Gibt es eine zweite Erde? Und wenn ja: Wie kann man sie finden?
Nachdem sich bereits Routine unter den Planetologen breitgemacht hatte, war die Freude dieses Mal wieder besonders groß: ein Exoplanet direkt vor der Haustür – im Orbit von Alpha Centauri B, einem nur 4,4 Lichtjahre entfernen Nachbarstern der Sonne. Kein Wunder, dass sich letzten Dienstag Dutzende Journalisten in die geheime Online-Pressekonferenz der Europäischen Südsternwarte (ESO) einloggten. Und kein Wunder, dass ein Kroate den Fund bereits in die Welt posaunte, noch ehe die Pressesperrfrist aufgehoben wurde. Alpha Centauri ist ein Synonym für die Sehnsucht nach außerirdischem Leben, spätestens seit James Cameron dort blauhäutige Aliens von Baum zu Baum hüpfen ließ.
Kurz nach der Ankündigung von "Avatar" im Januar 2008 hatten US-amerikanische Astronomen mehrere Gesteinsplaneten um Alpha Centauri B vorhergesagt; noch im selben Jahr wurden rund um den Globus die Teleskope auf dieses System ausgerichtet. Nun zeigt sich: Die Schweizer waren die Schnellsten. Die Gruppe von der Universität Genf um Michel Mayor hat 1995 schon den ersten Exoplaneten um einen Stern nachgewiesen. Mit Hilfe des Harps-Spektografen der Europäischen Südsternwarte (ESO) im chilenischen La Silla ist ihnen nun ein weiterer prestigereicher Fund gelungen.
Habitable Zonen und Planet HD 85512 b
Die habitable Zone um einen Stern ist der Bereich von Umlaufbahnen, in denen unter günstigen Bedingungen flüssiges Wasser auf der Oberfläche eines Planeten existieren könnte. Diese Grafik zeigt die Zone für die inneren fünf Planeten unseres Sonnensystems (oben), für HD 85512 b (mittig) und für den Stern Gliese 581 mit seinen vier bekannten Planeten (unten).
Für Sciencefiction-Fans ist "Alpha Centauri Bb" jedoch zunächst einmal eine Enttäuschung. Der Planet umrundet sein orangerotes Muttergestirn auf einer zehn Mal engeren Umlaufbahn als die des Merkurs im Sonnensystem. Seine Oberfläche dürfte einem Meer aus Lava gleichen. Aber selbst das ist noch unsicher. "Wir haben eine Masse und einen Orbit – alles andere ist Spekulation", sagte Gregory Laughlin von der University of California in Santa Cruz auf der Pressekonferenz. Andere Forscher zweifeln noch daran, ob der Planet überhaupt existiert: "Da das Signal sehr schwach ist, sollte man noch eine unabhängige Beobachtung durchführen", erwidert Sara Seager vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge. Die Genfer Astronomen haben daher bereits Beobachtungszeit beim Weltraumteleskop Hubble beantragt, und auch die Amerikaner wollen das verrauschte Planetensignal überprüfen. Dabei ist Eile geboten: Das Doppelsternpaar in Alpha Centauri bewegt sich aktuell aufeinander zu. 2016 werden die beiden von der Erde aus gesehen ihren kleinsten Abstand erreichen. Bis dahin wächst bei der Beobachtung von Alpha Centauri B die Fehleranfälligkeit, da der hellere Schwesterstern ins Bild drängt.
Derweil wird die fremde Welt gleich mit zwei Superlativen durch die Medien gejagt: Alpha Centauri Bb wäre der erdnächste und mit bestenfalls 1,1 Erdmassen der leichteste bisher entdeckte Exoplanet um einen sonnenähnlichen Stern. Tatsächlich markiert die Entdeckung eine wichtige Wegmarke bei der Exoplanetensuche: Die Instrumente der Forscher haben mittlerweile eine Genauigkeit erreicht, mit der sich auch kleinere Gesteinsplaneten aufspüren lassen. Das Team von Michel Mayor beispielsweise kann heute mit 16 Mal höherer Präzision auf Planetenjagd gehen als noch 1995.
Sind wir nicht allein?
Damit rückt die Auflösung der Gretchenfrage der Astronomie immer näher: Haben sich auch in anderen Sternsystemen Planeten gebildet, auf denen Leben gedeihen könnte? Oder ist die Erde ein Exot im All? Bisher haben Forscher erst vier Exoplaneten entdeckt, auf denen Wasser fließen könnte – sie liegen also in der "habitablen" Zone ihres Sterns. Allerdings sind Gliese 581d, HD 85512b, Gliese 667Cc und Kepler-22b allesamt ein gutes Stück größer als die Erde. Es könnte sich bei manchen von ihnen im ungünstigstem Fall auch um einen kleinen Neptun handeln. Oder aber sie kreisen um Sterne, die immer wieder sterilisierende Röntgenstrahlung ins All schleudern.
Mit etwas Fantasie kann man sich auf ihrer Oberfläche trotzdem ein Ökosystem vorstellen. Ein wissenschaftlich stichhaltiges Indiz für außerirdisches Leben wäre jedoch erst ein erdgroßer Planet, der im selben Abstand wie die Erde einen Stern wie die Sonne umkreist. Ob es solche Zwillingserden außerhalb unseres Sonnensystems gibt, könnten Astronomen schon in ein oder zwei Jahren beantworten. Der NASA-Satellit Kepler unternimmt dieser Tage die größte Planeteninventur der Geschichte. Seit über dreieinhalb Jahren späht das Weltraumteleskop auf einen kleinen Himmelsausschnitt im Sternbild Schwan, in dem die Forscher 100 000 Sterne auf einmal im Blick haben. Zieht ein Planet vor einem von ihnen vorbei, verdunkelt sich der jeweilige Stern minimal.
Planet um Alpha Centauri B
Alpha Centauri B ist der Sonne sehr ähnlich, allerdings ein wenig kleiner und lichtschwächer. Die Masse des nun entdeckten Planeten ist etwas größer als die der Erde. Mit einer Entfernung von rund sechs Millionen Kilometern befindet sich der Planet deutlich näher an seinem Heimatstern als der sonnennächste Planet Merkur in unserem eigenen Sonnensystem.
Vier Jahre sind die magische Grenze für Kepler: Nach dieser Zeitspanne können die Forscher sagen, ob einige der Sternfinsternisse von einem Zwilling der Erde hervorgerufen werden. Um einen Planeten nachzuweisen, muss er drei Mal seinen Stern verdunkelt haben; für einen erdähnlichen Himmelskörper, der wie wir innerhalb eines Jahres einen Stern wie die Sonne einmal umrundet, müssen die Forscher also vier Jahre lang Beobachtungsdaten auswerten. Vermutlich haben sie bereits eine recht gute Ahnung davon, ob sich eine Zwillingserde in ihren Daten versteckt.
Bisher verging jedoch stets mindestens ein Jahr zwischen Beobachtung und Veröffentlichung der Ergebnisse, jüngst waren es sogar fast zwei – 2014 könnte also als goldenes Jahr der Astronomie in die Geschichtsbücher eingehen. Insbesondere, wenn Kepler mehr als eine zweite Erde findet. Maximal um 30 der sonnenähnlichen Sterne vom Typ G2V könnten die Instrumente an Bord von Kepler eine Zwillingserde nachweisen, schätzen die Wissenschaftler in der Missionsbeschreibung. Von allen anderen Sternsystemen kommt entweder zu wenig Licht an, oder die Bahnebene der Planeten ist relativ zur Erde gekippt, so dass sie ihren Mutterstern aus Keplers Perspektive nicht verdunkeln.
Vielversprechendes von Kepler
Sollte Kepler mehr als eine Zwillingserde aufspüren, wäre die Botschaft eine revolutionäre: Hochgerechnet auf die gesamte Galaxie hießen auch 10 Zwillingserden noch, dass es vermutlich Millionen von Erden in der Milchstraße gibt. Allerdings ist auch das krasse Gegenteil denkbar: Findet Kepler keine Hinweise auf eine zweite Erde, ist unser Planet vermutlich ein Exot im All.
Die Frage nach Leben kann Kepler allerdings so oder so nicht beantworten: Die Sonde ermittelt den Durchmesser eines Planeten, eine Nachbeobachtung mit einem Teleskop samt Spektografen liefert dann dessen Masse. Ein Ökosystem auf der Oberfläche lässt sich so nicht nachweisen – so wahrscheinlich es aus der Ferne auch sein mag. Erst mit einem Blick in die Atmosphäre eines Exoplaneten ließen sich außerirdische Organismen andeutungsweise nachweisen. Dazu müssen aber jene extrem schwachen Lichtspuren aufgefangen werden, die von den Exoatmosphären gestreut werden. Anhand des Spektrums der Strahlen könnten Forscher dann überprüfen, ob sich in einer Atmosphäre Wasserdampf, Sauerstoff oder Methan befindet – untrügliche Spuren für biologische Aktivität.
Aber wie lässt sich das Leuchten von Planeten beobachten, wo doch der Mutterstern so viel heller strahlt? Die NASA verweist auf den Hubble-Nachfolger, das James Webb Weltraumteleskop (JWST). Es soll immer dann einen Stern ins Blickfeld nehmen, wenn gerade einer seiner Planeten vor ihm vorüber zieht. Die Atmosphäre des Planeten würde dann das Sternenlicht filtern. Schwache Absorptionslinien könnten dann das Vorhandensein von den Gasen in der Atmosphäre belegen. Allerdings ist das Flaggschiff der NASA trotz Kosten von 8,7 Milliarden US-Dollar für die Planetenanalyse nur unzureichend gewappnet. Das Mammutteleskop mit seinem 6,5 Meter großen Hauptspiegel wurde in den 1990er Jahre geplant, als man noch nichts von dem anstehenden Planetenschwemme ahnte. Seine Erbauer optimierten das größte Weltraumteleskop aller Zeiten für die Beobachtung des frühen Universums. Daher kann JWST nur InfrarotlLicht auffangen – und nicht optische Wellenlängen, die für eine zweifelsfreie Charakterisierung der Atmosphären nötig wären.
Exoplaneten um 55 Cancri
Im Doppelsternsystem 55 Cancri kreisen fünf Planeten – damit ist es eines der größten außerhalb unseres eigenen Sonnensystems.
Aus heutiger Sicht macht es aber vor allem ein anderes Manko unbrauchbar für die Aliensuche: Keiner der vier bisher bekannten Exoplaneten in einer habitablen Zone zieht von der Erde aus betrachtet vor seinem Stern vorüber. Daher fordern Astronomen schon länger, dass eine weitere, Kepler-ähnliche Mission gestartet wird, die gezielt nach habitablen Planeten sucht, die zeitweise ihr Gestirn verdunkeln und so mit JWST studiert werden könnten. Anders als die von Kepler entdeckten Sternsysteme, die hunderte oder tausende Lichtjahre entfernt sind, soll der "Transiting Exoplanet Survey Satellite" (T.E.S.S.) in der galaktischen Nachbarschaft nach geeigneten Kandidaten suchen. Ob das Projekt realisiert wird, will die Nasa im Februar 2013 entscheiden.
Aber auch dann bleibt fraglich, ob die Planetenjäger allzu viel Zeit mit dem JWST verbringen dürfen: Nach bisheriger Planung werde das Mammutprojekt 80 bis 85 Prozent der Zeit für andere Zwecke eingesetzt, argumentieren europäische Forscher in dem Entwurf eines Exoatmosphärenteleskops der ESO. Mit einem 1,5 Meter großen Spiegel will das "Exoplanet Characterisation Observatory" (EChO) vom Weltraum aus Supererden um besonders helle Sterne ins Blickfeld nehmen. Damit wolle man mit dem Paradigma brechen, dass nur Zwillingserden um Zwillingssonnen zur Wiege des Lebens werden können, schreiben die Forscher. Um diese Gelegenheit zu bekommen, muss sich das Projekt jedoch noch gegen drei andere Weltraummissionen durchsetzen; darunter ein Projekt, das eine Probe von einem Asteroiden zurück zur Erde holen will.
Liefert erst ein neuer Beobachter die Antwort?
Die Atmosphären von Zwillingserden in den Tiefen des Alls könnte in der Tat erst ein noch ambitioniertes Projekt charakterisieren. An Ideen mangelt es nicht: Das europäische Projekt "Darwin" sollte aus bis zu neun zusammengeschalteten Weltraumteleskopen bestehen. Nur so könnte es nach Einschätzung der Astronomen gelingen, die extrem schwachen, von Zwillingserden reflektierten Lichtspuren nachzuweisen. Nicht weniger ambitioniert war der Terrestrial Planet Finder der NASA, der ebenfalls aus einer kleinen Teleskopflotte aufgebaut sein sollte. Allerdings wurden beide Projekte auf Eis gelegt – sehr zum Missfallen der Planetenforscher. Ohne derartige Projekte sei man dazu verdammt, auf ewig Planeten zu zählen, schimpfte der berühmte Planetenjäger Geoff Marcy von der University of California in Berkeley letztes Jahr auf dem einem Symposium der amerikanischen Exoplaneten-Forschergemeinde.
Mittlerweile hoffen die Forscher auf ein anderes Projekt. Der New Worlds Observer soll einen 50 Meter breiten Schutzschirm mitbringen, der 80 000 Kilometer vor der Linse des Weltraumteleskops platziert wird. So soll es gelingen, das störende Licht eines Sterns auszublenden und gezielt die schwachen Lichtspuren von seinen Trabanten aufzufangen. Noch hat sich die Nasa nicht entschieden, ob sie den New Worlds Observer bis Ende des Jahrzehnts tatsächlich bauen will. Billig dürfte er nicht werden: Mit einer 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit werde der Observer weniger als 3,7 Milliarden US-Dollar kosten, heißt es im Projektvorschlag. Ob ein weiteres Weltraumteleskop von der Größenordnung von "James Webb" dem amerikanischen Steuerzahler schmackhaft gemacht werden kann, wird die Zeit zeigen. Ohne das Projekt würden die Exoplanetenforscher wohl allerdings in die Röhre gucken. Die Frage nach außerirdischem Leben bliebe bis auf Weiteres unbeantwortet.
Es sei denn, Alpha Centauri meint es gut mit ihnen: In dem Sternsystem könnte sich noch ein anderer Planet gebildet haben, mutmaßen Astronomen. Schließlich legen andere Doppelsternsysteme den Schluss nahe, dass sich im Schwerefeld zweier Sterne – wenn überhaupt – gleich mehrere Planeten bilden. "Um einen Planeten mit der gleichen Masse wie Alpha Centauri Bb in der habitablen Zone des Sterns nachzuweisen, müsste man über acht weitere Jahre Daten von der selben Qualität sammeln", sagt Sara Seager. Bis dahin hätte man immerhin ein Teleskop, das den Planeten direkt beobachten könnte. Das European Extremely Large Telescope der ESO in Chile soll bis Ende des Jahrzehnts fertig gestellt werden. Es kann zwar nur eine Handvoll Exoplaneten in der unmittelbaren Nachbarschaft beobachten, heißt es in der Konzeptstudie. Dazu könnte jedoch auch eine Zwillingserde um Alpha Centauri B gehören, mutmaßen die Forscher. Denn vielleicht steckt ja doch ein Körnchen Wahrheit in James Camerons fantastischem Weltraumepos.